Die tätige Reue existiert im österreichischen Strafrecht seit über 200 Jahren und ist aus der Strafrechtspraxis nicht wegzudenken. Vielen, auch Nicht-Juristen, ist sie ein Begriff, wenngleich die Details oft wenig bekannt sind. Wie eine aktuelle OGH-Entscheidung zeigt, ist gerade deshalb auch die Aufklärung über die Möglichkeit, durch tätige Reue Straffreiheit zu erlangen, Teil einer fundierten Strafrechtsberatung.
Was ist tätige Reue?
- Die tätige Reue ist ein Strafaufhebungsgrund, dh sie beseitigt eine bereits eingetretene Strafbarkeit wegen eines bestimmten Delikts. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen wird der Täter daher straffrei; das bedeutet nicht, dass sein Handeln überhaupt ohne rechtliche Konsequenz bleibt (B. im Hinblick auf Zivil- und Verwaltungsrecht).
- Da es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt, ist sie nur für die Person wirksam, die selbst die Voraussetzungen erfüllt. Begehen zwei Täter eine Straftat, befreit es den zweiten daher nicht von seiner Strafbarkeit, wenn (nur) der erste Täter tätige Reue übt.
- Tätige Reue ist auf bestimmte Delikte beschränkt: Nicht jede Straftat kann durch tätige Reue saniert werden! Die meistbekannte Regelung der tätigen Reue ist jene für (fast alle) Vermögensdelikte, die sich in § 167 StGB wiederfindet. Entsprechende Regelungen gibt es aber auch für andere Delikte („reuefähige Delikte“).
- Die tätige Reue setzt grundsätzlich freiwillige, rechtzeitige und vollständige Schadenswiedergutmachung Bei diesen Voraussetzungen ist es aber das Um und Auf, auf die jeweilige Regelung zu achten!
- Bei § 167 StGB (Vermögensdelikte) meint Rechtzeitigkeit die Schadenswiedergutmachung, bevor eine Strafverfolgungsbehörde „vom Verschulden“ des Täters erfährt. Bei § 153c StGB (Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung) kann tätige Reue bis zum Schluss der Verhandlung geübt werden, dh lange nachdem die Strafverfolgungsbehörde von der Straftat erfahren haben.
- 167 StGB verlangt eine tatsächliche vollständige Schadenswiedergutmachung. Das bloße Angebot der Schadenswiedergutmachung genügt nicht; bei Teilgutmachung tritt keine (partielle) Strafbefreiung ein. Irrt der Täter über die Höhe des Schadens, ist das irrelevant; es liegt an ihm, sicherzugehen, welcher Schadensbetrag wiedergutzumachen ist. Eine vertragliche Verpflichtung zur Schadensgutmachung binnen einer bestimmten Frist führt nur dann zur Straffreiheit, wenn sie auch tatsächlich erfüllt wird.
Diese Liste ließe sich noch lange fortführen, vor allem im Hinblick auf die breite Rechtsprechung, die der OGH zur tätigen Reue entwickelt hat. Es lohnt sich daher in jedem Fall, sich im Fall des Falles mit der (laut OGH) „goldenen Brücke zur Straflosigkeit“ zu beschäftigen. Im Übrigen bedeutet das nicht, dass der Täter „seine Schuld eingesteht“ oder ein „Anerkenntnis“ abgibt. Tätige Reue kann auch vorsichtshalber, vor allem wegen der Ungewissheit ob des Ausgangs eines Strafverfahrens, geübt werden. Sie stellt zudem ein nützliches Instrument bei der Prüfung unternehmensinterner Verdachtsfälle dar, von dem auch das Unternehmen (à Verbandsgeldbuße) maßgeblich profitieren kann.
Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung, um im Detail zu besprechen, ob tätige Reue in Ihrer Angelegenheit möglich und sinnvoll wäre!